Einmal Mond und zurück: Frank Schätzings Limit

Das hat sich Visionär und Multimilliardär  Julian Orley sicherlich anders vorgestellt: Als er sich im Jahre 2025 dazu entscheidet, mit einer Gruppe potentieller Investoren die Reise zu seinem brandneuen Mondhotel Gaia anzutreten, findet er sich in einem wahren Albtraum wieder. Während seine Familie endgültig zu zerbrechen droht, verdichten sich die Anzeichen dafür, dass ein terroristischer Atombombenanschlag auf das neue Gasthaus in exklusiver Lage geplant ist…

Hinweise darauf liefert der private Internetdetektiv Owen Jericho, welcher eher zufällig in die Geschichte gerissen wird und parallel zu den Ereignissen auf dem Mond auf der Erde Mordanschlägen trotzt und eine große Verschwörung aufklärt. Zunächst gilt es im Auftrag seines Freundes Tu Tian die Dissidentin Yoyo zu finden. Diese, so findet Jericho bald heraus, versteckt sich aus Angst vor einer bis zum Ende unbekannten Gruppe, von der sie versehentlich Nachrichten abgefangen hat. Diese trachtet ihr, vertreten durch den Psychopaten Kenny Xin, nach dem Leben.

Nachdem fast all ihre Freunde ermordet wurden, entschließt sich Jericho dazu, Yoyo zu helfen. Also gilt es, die Hintergründe und Absichten der geheimen Gesellschaft zu durchleuchten, in der es politische und ökonomische Macht geht. Besonders interessant hierbei ist das Wegfallen des ultimativen Machtfaktors Öl, welches durch Julian Orleys Helium-3-Fusionsreaktoren auf einmal nicht mehr gebraucht wird und die Welt auf den Kopf stellt.

Wissenschaft ist Trumpf: Fusionsreaktoren, Weltraumfahrstühle und Turing-Test

Frank Schätzing feuert in seinem Buch ein Technikfeuerwerk ab, wie es mir vorher nicht untergekommen ist. Science-Fiction-Geschichten gibt es wirklich zu genüge, aber so detailverliebte Beschreibungen der einzelnen Funktionsweisen  von Technologien und wie sich diese in den 13 Jahren bis 2025 entwickelt haben, sind mir vorher noch nicht untergekommen.

So ermittelt Jericho nicht einfach in der virtuellen Welt Second Life. Schätzing erklärt detailliert, wie der ursprüngliche Second-Life-Anbieter pleite ging, wie man das Projekt neu erschaffen hat und wie es heute funktioniert. Auch die gesellschaftlichen Folgen der perfekten Illusion eines virtuellen Lebens werden an vielen Stellen betont.

So geht es mit vielen Sachen. Orleys Weltraumfahrstuhl, das Helium 3, welches damit vom Mond transportiert wird, das Mondhotel, Kommunikationstechnik im All, das Internet der nächsten Generation, künstliche Intelligenz – fast nichts wird als gegeben hingenommen, sondern ausführlich erklärt. Wer es wissen will: Zwar kann Jericho mit seinem Rechner recht menschlich sprechen, der Turing-Test ist aber auch im Jahre 2025 nicht geknackt. Schade, aber aus Sicht eines Informatikers unglaublich beeindruckend, von diesem Thema in einem nicht aufs Fach bezogenen Buch zu lesen.

Für die Qualität der wissenschaftlichen Aspekte spricht auch die Danksagung. Auf drei Seiten dankt Schätzing unzähligen Forschern und Experten, wie zum Beispiel dem Weltraumfahrer Thomas Reiter.

In der Kürze…

Zum Ende kommt es Jericho vor, als liege der Beginn seines Abenteuers bereits Monate zurück. Fast schon ironisch, denn ich musste dieses Gefühl direkt teilen. Aber im Gegensatz zum Roman waren es bei mir wirklich über drei Monate, die ich mich mit dem Buch beschäftigt habe. Mal überschlagen: 13 Wörter pro Zeile, 40 Zeilen pro Seite, 1294 Seiten. Mindestens 600.000 Wörter sind fast schon biblisch: Die deutsche Bibel etwa kommt angeblich auf rund 740.000 Wörter.

Die Detailverliebtheit Schätzings hat ihren Charme, meine Geduld aber ihre Grenzen. Zum Ende war ich richtig froh, das Buch endlich in den Schrank stellen zu können.

Wie schon bei „Der Schwarm“ ist dies jedoch mein einziger Kritikpunkt. Wer die Zeit hat oder gut überfliegen kann, erhält mit Schätzings „Limit“ nicht nur ein äußerst spannendes, sondern auch sehr lehrreiches Buch. Und eigentlich will doch jeder wissen, was wirklich passiert, wenn man im All den Helm abnimmt…