Kreideterror auf dem Parkplatz

Der Blick aus meiner Wohnung ist eigentlich relativ trist: Bis auf das gegenüberliegende Haus und eine kleine Straße, fällt vor allem der große graue Parkplatz auf, der direkt unter meinem Fenster beginnt. Umso schöner ist es, wenn an einem sonnigen Sonntag Mittag die Vögel zwitschern und kleine Kindern ungestört spielen können – so verliert der Parkplatz gleich ein wenig von seinem Grau. Aber Moment – frei laufende Kinder, die auch noch Spaß haben?

Kreideterror auf dem Parkplatz

Bei den über den Daumen gepeilten 100 Menschen, die hier mit mir an dieser Ecke wohnen, ist natürlich schnell ein verbitterter alter Mann gefunden, der gegen so viel Spaß und Freude vorzugehen weiß. Auch eine Strategie liegt gleich bereit: Die dreiste Mutter hat ihre kleine Tochter mit Kreide bewaffnet. Um besonders zu provozieren, hat sie sich zudem für verschiedene Farben entschieden. Ein Frontalangriff auf den sozialen Frieden oder gar eine neue Form des Terrorismus?

Nachdem das Parkplatzgrau von den ersten Sonnen, Schiffe und Delfine durchlöchert ist, kann der Herr vom Heimatschutz nun ordentlich loslegen. Nach zehn Jahren im Trainingscamp von Barbara Salesch ist klar, dass das Wort „Sachbeschädigung“ den wahren Jurakenner zeigt und der Mutter umso mehr einheizen wird, je mehr er es ihr erregt entgegenbrüllt. Dann die Gesellschaftskeule: Was man sich denn einbilde, das Stadtbild so zu verunstalten. Dass doch schließlich alle davon belästigt würden. Und natürlich der Klassiker: Was, wenn das jeder machen würde?

Vielleicht für immer verloren? Parkplatzgrau...

Zum Glück konnte die Mutter gut einstecken, austeilen und gegenhalten. Nachdem sie dem Herrn zehnmal erklärt hat, dass das Thema mit dem nächsten Regen ohnehin gegessen wäre, konnte auch er sich irgendwann beruhigen oder zumindest zum Rückzug blasen.

Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. Wie sich das kleine Mädchen dabei gefühlt haben mag, kann man nur erahnen. Die eigene Mutter und ein Fremder streiten wie wild und es selbst ist auch noch der Grund dafür. Und wie muss es für die Eltern sein, wenn ihnen solche Verbitterung entgegenschlägt?

Ja zum Nachwuchs für die Rentenkasse, nein zum Nachwuchs als Teil der Gesellschaft? Nein zur Erziehung vor dem Fernsehen, nein zum Spielen außerhalb der Wohnung? Ich glaube nicht, dass Familienpolitik das Problem ist. In einer Gesellschaft, in der Kindergärten als Störfälle betrachtet und wegen Lärmbelästigung verklagt werden, gibt es doch ein viel elementareres Problem…

5 Kommentare

  1. Also ich muss ja zugeben, manchmal gehen mir die spielen Kinder vor meinem Balkon schon etwas auf die nerven. Nach einem stressigen Arbeitstag noch lautes Kindergeschrei, ist nicht so ganz das was ich unter entspannen verstehe.
    Aber ich käme nie auf die Idee mich darüber bei den Eltern zu beschweren. Hab als Kind bestimmt auch Lärm gemacht.

    Aber wen stört den bitte Kreide auf einem blöden Parkplatz? Leute gibts….

    PS: Sehr gut geschrieben!

  2. Danke dir.

    Natürlich ist Lärm generell ein Problem. Aber das war hier erstens gar nicht der Fall (die einzigen, die laut waren, waren die Erwachsenen) und, wie du schon sagst, Kinder sind nun mal Kinder. Und wenn Leute Kinder generell schief angucken und nur darauf warten, dass diese irgendwas falsch machen, dann ist das doch irgendwie verrückt.

    Gegen eine Gruppe Jugendlicher, die sich hier vor den Schlafzimmern der Leute besaufen, laut grölen und in die Hecken pinkeln, da sind sie dann wieder ganz still. Aber gegen Kinder und alleinerziehende Mütter, da wollen die dann Helden sein.

    Und das alles zum Muttertag…

  3. Wenn ich heute Kreide kaufen könnte, würde ich sofort langkommen und alles vollmalen und hoffen, dass der Typ nochmal kommt.

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