Valentin hat vor einigen Tagen einen Artikel über das Ende von Compiz geschrieben. Dabei ging es im Wesentlichen auch um Ubuntus Unity. Im Nachhinein muss ich wohl zugeben, dass es leichtfertig war, mich für Benachrichtigungen über neue Kommentare einzuschreiben. Was die Leute dort schreiben findet man mittlerweile überall, wo das Thema aufgegriffen wird: Im Zuge der neuen Desktop-Umgebungen Unity und Gnome Shell hat die Diskussionskultur der freien Software-Welt einen neuen Tiefpunkt erreicht.
„Unbenutzbar“
Es ist schon faszinierend, wie sich die Leute über ein Thema aufregen können und dabei pseudo-objektiv argumentieren. Ubuntus neue „Global Menus“, die die Menüleiste von der Anwendung selbst in das Panel verschieben, verursachen vor allem bei größeren Bildschirmen längere Wege mit der Maus. Ein akutes Problem: Für gefühlte 90 % der aktiven Nutzerschaft stellt dies nämlich nicht nur eine Unannehmlichkeit, sondern eine unüberwindbare Hürde dar: „Unbenutzbar“ ist das oft gelesene Fazit.
Zudem sind die Menüpunkte im Normalbetrieb verdeckt, erst beim Überfahren mit der Maus werden diese sichtbar. So lässt sich damit nicht arbeiten. Gut, dass Shuttleworth mit HUD eine Alternative vorschlägt. Auch hier das gleiche Bild: Man benötigt die Tastatur, man kann keine nicht bekannten Menüpunkte finden. Zwar ist beides vermutlich Unsinn, aber der Tenor ist klar: So wird das nichts.
„Unbenutzbar“ sollte Unwort des Jahres werden. Nie zuvor habe ich ein so einfach zu begreifendes Wort so falsch eingesetzt gesehen, wie in der anhaltenden Unity-Gnome-Shell-Diskussion. Es ist schon erfreulich, wenn jemand sein vernichtendes Urteil mit „für mich“ zumindest etwas relativiert.
Flaming als Diskussionskultur
Diese Art der Meinungsäußerung ist im IT-Bereich leider nicht selten. Unsachliche Kritik bis hin zu Beleidigungen sind oft genug der Dank für das Engagement der Entwickler freier Software, etwas für alle bereitstellen zu wollen. Regelmäßig hagelt es Breitseiten für das „Frickelsystem Linux“ von Anhängern proprietärer Plattformen. Gern wird auch herablassend über die vermeintliche Finanzschwäche der Nutzer freier Software hergezogen. Menschlich erbärmlich und „Freiheit“ nicht verstanden.
Nicht dass es andersrum besser wäre: Auch die fanatischen Linux-Jünger feuern in alle Richtungen. Im Unterschied zu Apple- und Windows-„Fanboys“ aber eben vor allem auch in die eigenen Reihen. Traurige Berühmtheit erlangten auch die Umgangsformen von Linux-Vater Linus Torvalds, welcher die Gnome-Entwickler auch gerne mal als „Schnittstellen-Nazis“ betitelte. Auch Richard Stallman ist immer wieder Mittelpunkt übertrieben leidenschaftlicher Diskussionen.
Die Ideologie der freien Software scheint hier das gleiche Problem zu haben wie Religionen oder politische Richtungen. Viele Anhänger neigen zeitweise zum Fanatismus. Sie behindern das eigentliche Ziel und schaden dem Ansehen.
Aber es gibt noch Hoffnung:
Hey, with gnome-tweak-tool and the dock extension, gnome-3.2 is starting to look almost usable.
Haftungsausschluss
Ich will Menschen nicht vorschreiben, wie sie ihre Freizeit verbringen. Auch das Meckern über Software ist erlaubt. Jeder soll seine eigene Meinung haben und sie, wenn gewünscht, auch in die Öffentlichkeit tragen. Nichts anderes habe ich hier getan.
Schöner Artikel!!
Ich habe heute Lubuntu installiert, nachdem ich mit Xubuntu und Ubuntu Probleme hatte. LXDE ist ja wie ein altes Gnome aufgebaut und damit kommt man (Anne und ich) klar.
Meckern ist wichtig. Alternativen haben und vorschlagen auch.
Ich habe heute Xubuntu installiert 🙂 Will ja nicht sagen, dass Kritik unangebracht wäre, ganz im Gegenteil. Nur wäre eben manchmal eine sachlichere Auseinandersetzung wünschenswert…
Und prinzipiell sind doch alle Konzepte bedienbar: Für den einen besser, für den anderen schlechter. Das ist es ja, was ich an „unbrauchbar“ kritisiere.
Guter Artikel! Ich hab mit dieser Diskussionskultur auch meine Probleme. Aber das gab es in der Welt der freien Software wohl schon immer.
Was ich noch anmerken wollte: Du kannst die Benachrichtigung über neue Kommentare natürlich auch wieder deaktivieren. Dazu gibt’s in jedem E-Mail einen Link 😉
Das war nur der Aufhänger, keine Kritik an deinem Blog 😉
Da spricht mir jemand aus der Seele. Ich habe mir vor 5 Minuten überlegt etwas über die Undankbarkeit bzgl. freier Software zu schreiben.
BTW. Unity ist für mich die am besten zu benutzende Oberfläche seit langem. SO unterschiedlich können das Vorlieben sein.
Wirklich?
Ich finde die gesamte Oberfläche so verdammt lahm. Wir kann da ein reibungloses Arbeiten möglich sein? Oder benutzt du es nur als Hintergrund für einen Browser. Das wäre für mich echt das einzige Szenario.
Sobald ich Eclipse, Geany, Firefox, 2x Nautilus, Chrome und was was ich alles offen habe, brauche ich eine übersichtliche und schnelle Umschaltfunktion -> Taskleiste (oder wie die unter Linux heißt)
Also ne Taskleiste nutze ich auch nicht wirklich. Bin da mit Alt+Tab schneller, auch wenn es mal ein paar Fenster mehr sind. Compiz + Co. bieten da ja auch eine grafische Aufbereitung, so dass ich selbst bei vielen Fenstern schnell durchnavigieren kann.
Performance ist immer ein Problem. Aber das betrifft in meinen Augen eher die Umsetzung, als das Konzept an sich. Wie Valentin in seinem Blog schon schrieb: Wenn es mit Compiz zu Ende geht, wird man Unity sicher auch auf eine neue Basis stellen. Und dann hoffentlich vernünftig…
Das hatte ich eigentlich auch so interpretiert 🙂
Ich verwende 6+ virtuelle Desktops und VIEL die Tastatur. Unity ist für Tastaturuser gemacht. SUPER + Ziffer meine Typischen Anwendungen, Strg&Alt&Courser = Desktop wechseln; Alt&Tab usw. Ich kann endlich die Finger an den Tasten lassen. ICh freu mich schon auf die Arbeit mit dem HUD
Der beste Artikel, den ich seit langem zu diesem Thema gelesen habe! In der Tat wird überall nur noch gemeckert, ohne selber etwas beizutragen (weder praktisch noch finanziell). Dabei ist das einfach nur stockkonservativ, denn die Benutzeroberflächen entwickeln sich konzeptionell momentan auf allen Plattformen weiter. Ohne die derzeitige Weiterentwicklung würde Linux langfristig abgehängt werden.
Wo ich mich gerade auf die Requirements-Engineering-Prüfung vorbereite, bin ich auf eine passende Aussage gestoßen:
Warum kann nicht wahlweise auch die alte Form installiert werden?
da konnte ich sofort sehen, was ist installiert? In Unity klickst du drauf und mußt erst installieren und dann immer 90 Bauklötzchen durchsuchen … ich kenn die Namen von 5 bis 10 Programmen, den Rest muß ich immer bei den installierten suchen…
dann mußt ich über den Halben Bildschirm mit der maus und mehrfach klicken bis ich was gefunden hab …
das war mal besser gelöst als ich umgestiegen bin
so kann man auch Nutzer wieder verjagen
Angeblich haben sie es so gemacht, weil ihre Nutzertests ergeben haben, dass es so am sinnvollsten ist. Ich kann das aber auch nicht nachvollziehen.
Unity ist alles andere als Umsteigerfreundlich! eher Abschreckend… ich finde nichts mehr, umschalten auf Listenansicht stellt sich immer wieder zurück, es ist zum k…. Nutzertests … am sinnvollsten? . Ich kann das nicht nachvollziehen, haben die bei Handys getestet?
ich suche noch nach einer Oberfläche wie die Ubuntu 10LTS….
Win 8 scheint ja das mit den Klötzchen nachzumachen
ich hab die Lösung:
Virtuelle Maschine installieren und dann die 10.4 Lts draufmachen oder XP, oder beides wenn das geht
10.04 wird ja noch ein bisschen unterstützt und ist auch danach nicht gleich schlecht. Insofern kann man ja noch dabei bleiben, wenn es einem besser gefällt. Aber wieso in einer VM? Und XP, na ich weiß nicht. So ein System ohne zentrales Paketmanagement möchte ich mir nicht mehr antun.
Ich verstehe die Bedenken zu XP …
aber leider läuft die Software für die Auswertung der Telefonanlage, Solaranlage und die der Heizungssteuerung nur unter XP, vielleicht auch unter Win 7 … aber das deswegen kaufen?
ich wollte MS nicht mehr unterstützen
Nervig ist aber bei Ubuntu das von der Version 9.10 bis zur 12.4 der Audio Chipsatz mal erkannt wird und noch öfter nicht, da wird nur Dummy angezeigt
Telefonanlage, Solaranlage und Heizungssteuerung am Rechner? Nicht schlecht! Oder ist das eine berufliche Sache?
Die Audioprobleme werden ja meist von Pulseaudio verursacht. Damit hat sich Ubuntu sicher keinen Gefallen getan. Keine Ahnung was du da schon versucht hast, aber bei Ubuntuusers findet ich unter Problembehandlung tatsächlich der Punkt Nur Dummy-Gerät: http://wiki.ubuntuusers.de/PulseAudio#Problembehebung
ISDN-Telefonanlage mehrere Rufnummern für die Kinder, sonst muß ich dauernd laufen, Beruflich weniger aber der Basteltrieb oder Kontrolltrieb hat mich zur UVR 1611 (http://www.ta.co.at/frei-programmierbare-mehrkreisregler/) gebracht ,da kann man freier gestalten wie wenn man große Marken verwendet
Danke für den Link, PulsAudio hab ich noch nicht so untersucht obwohl ich einiges versucht habe.
Mein Problem mit Linux ist, das ich nur ein Paar Worte Englisch kann und das ist auch schon über 40 Jahre her, leider… es wir zu oft auf Englische Seiten verlinkt, dann bin ich fertig